Balkan-Roadtrip 2016 – Teil 8 (MNE)(AL) Ins Land der Skipetaren

Das große Unbekannte

Mittwoch, 10.08.2016

Gegen acht Uhr wache ich auf, draußen ist es neblig und kalt. Ohne Strom funktioniert die Heizung nicht. Ich ziehe mich an und suche das Toilettenhäuschen auf. Französisches Klo in einer provisorischen Holzbaracke, an der Außenseite befindet sich ein Waschbecken mit fließend kaltem Wasser. Keine Dusche zum Aufwärmen, dafür Natur pur

Heute soll es endlich nach Albanien gehen. Das Land, welches der Grund dafür ist, dass ich alleine unterwegs bin. Ein Land, was bei meinen Reiseplanungen spontan einen “No-Go”-Stempel aufgedrückt bekam, bis ich mich überhaupt das erste Mal in meinem Leben mit ihm beschäftigt hatte. Von dem ich nichts weiß, nichts kenne außer mythische Legenden und gravierende Vorurteile. Ein wenig macht sich bei mir die Aufregung bemerkbar. Wie wird es sein? Erwarte ich zu viel, ist es wirklich so toll? Oder werde ich nach ein paar Stunden, nach einem Tag enttäuscht und frustriert wieder umdrehen? Montenegro ist schon so unglaublich schön, die Menschen waren bisher alle unglaublich nett. Sollte ich vielleicht doch lieber hierbleiben?

Morgennebel auf dem Balkan-Roadtrip in Montenegro

Langsam verzieht sich der Morgennebel

Ich fahre wieder Richtung Kolašin, der Nebel lichtet sich langsam, Wolkenfetzen hängen noch in den Bergen und warten darauf, von der Sonne verdampft zu werden. 200 Kilometer sind es laut Google Maps bis nach Shkodra, viereinhalb Stunden plant der Internetdienst ein. Die Straße durch das Kelmend soll Berichten zufolge in einem fürchterlichen Zustand, je nach Wetterlage auch nur mit Allradfahrzeugen passierbar sein. Ich möchte spätestens um 18 Uhr in Shkodra sein, sicher ist sicher.

Wolken in den Bergen Rastplatz Montenegro

Letzter Tankstop vor Albanien

Bei Kolašin wird das Didimobil noch einmal für 90 Cent pro Liter Diesel vollgetankt. In Montenegro scheint es einen Einheitspreis für Benzin zu geben, jedenfalls zeigen sämtliche Tankstellen seit zwei Tagen 0,90€ für Diesel an. In Albanien, so habe ich es mir vorgenommen, wird spätestens bei halbvollem Tank nachgefüllt. Wer weiß, ob es dort außerhalb der größeren Städte Tankstellen gibt und wie verlässlich diese dann funktionieren werden?

Albanische Alpen Wolken Montenegro Roadtrip

Die Sonne gibt langsam den Blick auf die Albanischen Alpen frei.

Bis Mateševo ist die Staatsstraße 9 in einem recht guten Ausbauzustand, wenn auch kurvenreich. Dafür wenig befahren und landschaftlich schön im Tal entlang der Ostseite der Tara gelegen. Ursprünglich sollte die M-9 Teil einer Schnellstraße von Montenegro in den Kosovo werden. Der Kosovo-Krieg Ende der 1990er Jahre verhinderte dies, und so wird der östliche Abschnitt hinter Mateševo über den Komovi-Pass schon seit Jahren vernachlässigt. Schlaglöcher und tiefe Rillen prägen die waldreiche Strecke, von der man immer wieder Ausblicke auf die weit über 2.500 Meter hohen Bergspitzen der Albanischen Alpen hat.

VW Bus Bulli Roadtrip Komovi-Pass schlechter Zustand Montenegro

Massiver Sanierungsstau auf der M9

Der Zustand der Straße sollte erst ein sehr kleiner Vorgeschmack auf das sein, was die nächsten Tage auf das Didimobil zukommen wird.
Dank wenig bis gar keinem Verkehr über diesen verwunschenen Pass kann man immer wieder anhalten und die relativ unberührte Natur genießen. Schön ist es hier, und ich erwische mich doch ab und an dabei, mir innerlich die Frage zu stellen, ob ich wirklich noch hinüber möchte auf die andere Seite der Berge, in das Land, welches 70 Jahre lang das isolierteste Land Europas war?

Roadtrip mit dem Bulli nach Albanien Albanische Alpen von Montenegro aus gesehen

Hinter den hohen Gipfeln liegt das Reiseziel Albanien

Bei Andrijevica endet die M9 und trifft auf die gut ausgebaute P2/P9. Etwa 30 Kilometer sind es noch bis zum Grenzort Gusinje. Was mich etwas verwundert ist, dass man noch immer kein einziges Fahrzeug mit albanischen Nummernschildern sieht, obwohl das Tal für Montenegro hier eine Sackgasse bildet.

In dem kleinen Ort Gusinje herrscht reges Treiben. Es wird gebaut, Menschen wuseln durch die Gegend. Bei uns würde man so etwas “Aufschwung” nennen, doch irgendwie ist diese Gegend verdammt abgelegen vom Rest der Welt. Gusinje selber liegt etwas Abseits der Hauptstraße Richtung Albanien, daher wundere ich mich, dass ich mich mitten im Ort befinde. Das Internet-Signal ist hier sehr bescheiden, dennoch schaffe ich es, zumindest schemenhaft eine Karte auf Google Maps anzuzeigen. Ich hätte vor dem Ort die Vorfahrtsstraße nach rechts verlassen müssen. Na da soll mal einer drauf kommen. Und einen Wegweiser gab es dort ganz sicher nicht.

Auch von der anderen Seite gibt es keinerlei Hinweis auf den Grenzübergang. Wozu auch, die Menschen, die hier leben, wissen, wohin die Straße führt. Auf den fünf Kilometern bis zur Grenze bin ich alleine auf der gut ausgebauten Straße, vereinzelte Häuser finden sich am Wegesrand. Nach einer Kurve taucht plötzlich tatsächlich eine Art “Kontrollposten” an der Straße auf. Ja, es gibt einen Grenzübergang.

Grenze Montenegro Albanien bei Gusinje

Das montenegrinische Grenzhäuschen

Eine Schranke versperrt die Straße, weit und breit ist niemand zu sehen. Ich nehme meine Papiere (Ausweis, Führerschein, Fahrzeugschein, Grüne Versicherungskarte, etwas Geld zum Bestechen… 😉 ) und gehe zu dem Holzhäuschen, in dem ein sichtlich gelangweilter Grenzbeamter sitzt. Als er mich kommen sieht, setzt er sein Mütze auf und öffnet ein Fenster. Ich reiche ihm die Unterlagen, er interessiert sich eigentlich nur für den Personalausweis, tippt irgendwas in seinen Computer, der noch aus dem C64-Zeitalter zu kommen scheint, schaut mich an und fragt: “Albania?”
Ich bejahe und bekomme einen etwas ungläubigen Blick und meinen Personalausweis wieder. Ich darf weiterfahren, der Grenzer öffnet mir von Hand die leicht angerostete Schranke. Kurzes Zuwinken zum Abschied, das ging ja einfach.

Hinter der Schranke macht die Straße einen Knick nach links, ein ziemlich verrostetes Schild begrüßt den Reisenden zuerst auf Englisch (“Welcome”) und dadrunter auf Albanisch (“Mirsevini”), das andere Schild macht einen wichtigeren Eindruck, man kann es vor lauter Rost jedoch nicht mehr erkennen. Hinter der Kurve befindet sich ein weiterer Schlagbaum und ein Grenzhäuschen. Albanien.

Albanische Grenze Montenegro Albanien bei Gusinje Vermosh

Das albanische Grenzhäuschen

An der etwas gepflegteren Schranke halte ich das Didimobil an und sammele erneut meine Dokumente zusammen, als auch schon ein sichtlich gut gelaunter Grenzpolizist aus dem Häuschen kommt. Er möchte nur den Personalausweis sehen, den Rest benötigt er nicht. Mit diesem verschwindet er in sein Häuschen. Eine Minute später ist er wieder da, überreicht mir den Perso, reicht mir die Hand und sagt auf Deutsch: “Willkommen, Gute Fahrt!” Dann öffnet er den Schlagbaum und schaut dem Bulli noch bis zur nächsten Kurve fröhlich hinterher.

SH20 Staatsstraße Albanien Kelmend Vermosh Grenze Montenegro

SH20, die internationale Straße auf der Seite Albaniens.

Gleich nach der Grenze realisiere ich, warum ich in den letzten zwanzig Minuten keinem einzigen Auto begegnet bin – und warum wahrscheinlich keinerlei Ausschilderung für diese internationale Verbindung besteht: Die geteerte Straße weicht einer Schotterpiste mit riesigen Schlaglöchern, welche die Natur sich an den Seiten bereits zurückerobert. Nach einem Kilometer ist die Straße zum Glück wieder asphaltiert, jedoch dermaßen uneben, dass das Auto bei Geschwindigkeiten über 40km/h regelrecht abhebt. Na, das kann ja was werden.

VW Bus Bulli auf altersschwache Brücke im Kelmend in Albanien bei Vermosh

Und sie hält doch: Brücke auf der Straße von/nach Montenegro

Das nächste “Hindernis” lässt nicht lange auf sich warten: Eine Brücke über den Vermosh-Fluss. Angerostete Träger und das Straßenbett aus spröden, welligen Holzplanken zusammengezimmert. Beim Überqueren quietschen und knarren die Holzplanken, dass sich die Balken biegen. Das ist tatsächlich mal Abenteuer in einer absolut unberührten Bergwelt.

Wirklich schwierig wird es dann ein paar hundert Meter weiter: Bei Vermosh sind Bauarbeiten zum Ausbau der Straße in vollem Gange. Bagger und große Baumaschinen haben den Untergrund aufgewühlt, tiefe Furchen und Fahrrinnen bilden die “Straße”. Es ist eng, und das Didimobil hat große Mühe, über den teilweise einem Geröllfeld gleichenden Untergrund vorwärts zu kommen. Ganz so unrecht hatten diejenigen nicht, die schrieben, die Straße sei teilweise nur mit Allradfahrzeugen passierbar.

Baustelle SH20 Albanien Kelmend Vermosh Roadtrip

Baustelle unter laufendem Betrieb

Ich überlege tatsächlich, umzukehren. So beeindruckend bisher die Landschaft, umso unsicherer bin ich mir, ob ich und dder Bulli es schaffen werden, die verbleibenden 50 Kilometer auf dieser “Straße” zu überstehen? Solange der vor mir fahrende Pickup genauso langsam ist wie ich, denke ich, kann man es wagen. Beim Vorbeifahren grüßen die Bauarbeiter fröhlich.

Auch als die Bauarbeiten nach einigen hundert Metern vorüber sind, wird die Straße nicht besser. Größtenteils einspurig schlängelt sich die Geröllpiste durch eine kleine Schlucht, immer entlang eines kleinen Gebirgsbaches. Die Landschaft ist grandios, aber Geschwindigkeiten über 20km/h sind kaum realisierbar.

Bulli auf bemerkenswert schlechter Piste im Kelmend bei Vermosh in Albanien

Grandiose Landschaft, bemerkenswert schlechte Straße: Kelmend

Nach einer halben Stunde Fahrt erreiche ich das 3,4 Kilometer entfernte Budace, eine langgezogene Streusiedlung mit vielleicht zehn Häusern entlang der einzigen Straße im Tal. Am Ende der langen Geraden kommt ein junger Mann über eine altersschwache Brücke, die die Staße über den Lipuša-Bach mit einem Haus verbindet. Er sieht mich kommen und deutet mir, anzuhalten. Ob ich Englisch spräche, fragt er mich auf Englisch, was ich positiv beantworte. Ob ich einen Kaffee möchte, oder ein Bier oder einen Raki? Er wohne dort drüben in dem Haus. Ich habe Bedenken, aber lasse mich darauf ein. Die Brücke hält und ich parke das Didimobil vor seinem Gartenzaun. Im Garten sind Vater und Mutter mit Gartenarbeit beschäftigt.

Roadtrip Albanien: Grenzenlose Gastfreundschaft in Budace im Kelmend

Budace

Die beiden unterbrechen ihre Arbeit kurz, der Vater schüttelt mir freundlich die Hand, von der Mutter gibt es sogleich eine herzliche Umarmung. Im Wohnzimmer wird ein türkischer Kaffee aufgegossen.

Warum er mich gefragt hat, möchte ich wissen. “Ich habe Dich dort hinten kommen sehen”, sagt der Sechzehnjährige. “Möchtest Du vielleicht noch ein Bier oder einen Raki?”
Er spricht gut Englisch, das hat er in der Schule gelernt. Diese ist etwa zwei Stunden Fußweg von seinem Haus entfernt, mit dem Auto dauert es in etwa genauso lange, doch ein Auto hat die Familie nicht. Aber die Straße soll bis Ende des Jahres asphaltiert sein, weiter unten sei sie schon fertig.

Im Fernsehen läuft ein albanischer Film, vermutlich aus den siebziger Jahren und scheinbar eine Komödie. Internet gibt es nicht und Mobiltelefone haben hier keinen Empfang. Aber warum er mich jetzt einfach so auf einen Kaffee einlädt? Er versteht die Frage nicht und zuckt mit den Schultern: “Das macht man doch so?”

Ich lerne mein erstes albanisches Wort: “Faleminderit”, Danke. Ich bedanke mich und verabschiede mich von den Dreien. Der Abschied ist genauso herzlich wie die Begrüßung; ich lasse der Familie noch drei Astra-Bier von zu Hause da und bekomme von allen Dreien eine Umarmung, als würde man sich schon ewig kennen.

Ich hatte im Vorwege von der unendlichen Gastfreundschaft der Menschen gelesen und von Reisenden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Wirklich glauben wollte ich das nicht.

Roadtrip Albanien Fußball in Lepushe

Freizeitkick in Lëpushë

Ich fahre weiter, irgendwie noch ganz geflashed. Es fühlt sich gerade alles ein wenig surreal an. Der nächste Ort ist Lëpushë, ein bei Albanienreisenden nicht unbekannter Urlaubsort, wie ich später erfahren soll. Auf dem Dorfplatz spielt die Jugend Fußball, ein Straßencafé wartet auf Kundschaft. Ich hatte eben einen leckeren Kaffee und außerdem noch kein albanisches Geld, das ist außerhalb des Landes nur schwer zu bekommen.

VW Bus Bulli auf Schotterstraße in Albanien im Kelmend

Immer weiter hinein in die Bergwelt der Albanischen Alpen

Zehn Kilometer führt die Schotterpiste weiter entlang steiler Bergänge und entlang eines kleinen, tosenden Gebirgsbaches Richtung Süden, bis an einer Baustelle vorerst Schluss ist. Die Straße wird gerade frisch asphaltiert, erklärt ein freundlicher Bauarbeiter mit Händen und Füßen. Wie lange es dauert? Vielleicht eine Stunde, meint er und bietet mir wie selbstverständlich eine Zigarette an. Bald kommen seine Kollegen dazu, wundern sich, dass ich nicht rauche und erzählen freudestrahlend in einer Mischung aus Albanisch, Italienisch und sehr wenig Englisch, dass sie die gesamte Straße bis zur montenegrinischen Grenze bis November fertig asphaltiert haben wollen. Ehrgeiziger Zeitplan, entgegne ich. Ja, aber das hier sei Albanien, da ist nichts unmöglich. Und ob ich immer noch keine Zigarette haben wolle?

Grandiose Felsen im Kelmend in Albanien an der SH20 von Shkoder nach Vermosh

Imposante Felsformationen wie von einem anderen Stern

Nach einer knappen Stunde ist die Straße platt genug gewalzt, man wünscht eine gute Fahrt und das Didimobil darf die frisch geteerte Straße einweihen. Welch eine Ruhe nach den letzten knapp 20 Kilometern über Stock und Stein. Bei der Vorbeifahrt grüßen erneut alle Arbeiter fröhlich, der Walzenfahrer hupt freundlich.

Die nagelneue Straße fährt sich nahezu perfekt. Einzig die wahnsinnige Landschaft drumherum sorgt dafür, dass man freiwillig langsam fährt. Immer wieder halte ich an. Ich fahre gerne in die Berge und ich habe bereits viel von der Welt gesehen. Aber diese Berge mit ihren schroffen, fast senkrechten Felsen lassen einen regelrecht spüren, wie klein der Mensch im Vergleich zur Natur doch ist.

Baufällige Brücke Kelmend Albanien

Diese Brücke ist die einzige Zuwegung zu drei Häusern

Kurz vor Tamarë verläuft die Straße im Talgrund durch eine sehr enge Schlucht, deren steil aufragende Berge Gesteinsschichtungen zeigen, die um etwa 30° nach oben zeigen. Ein merkwürdiges Gefühl, glaubt man doch, die ganze Zeit bergab zu fahren. Eine einmalige Landschaft, die sich auf Bildern nicht einmal ansatzweise festhalten lässt.

Roadtrip durch Albenien, Straße im Canyon bei Tamare

Straße durch einen Canyon in der Nähe von Tamarë

Bulli Roadtrip Tamare Albanien

Man fühlt sich einfach nur sehr klein

Tamarë ist der erste “richtige” Ort. Neben der frisch asphaltierten Straße macht der Ort einen sehr sauberen und gepflegten Eindruck. Eine neue Fußgänerzone mit kleinen Cafés lädt sicherlich zum Verweilen ein. Ich habe jedoch noch kein Geld und keine Ahnung, wie weit es noch bis Shkodra ist, nehme mir aber vor, bei einer möglichen nächsten Albanientour hier auf jeden Fall einen Zwischenstopp einzulegen.

Neue Straße, gepflegter Ort Tamare Albanien

Sehr gepflegter und sauberer Ort: Tamarë

Kurz hinter Tamarë beginnt die Straße stetig anzusteigen. In langen Kurven schlängelt sie sich am Berghang hinauf, das Didimobil beginnt ziemlich zu schnaufen. Ich tippe mal auf etwa 10% Steigung, ein Schild gibt es nicht. Irgendwann windet sich die Straße in einem 270°-Bogen um einen Felsvorsprung und man befindet sich direkt vor einer etwa 500 Meter hohen, unüberwindbaren Steilwand, an der sich in mehreren Haarnadelkurven die Straße nach oben windet. Was für ein Anblick!

Leqet e Hotit Passstraße Albanien Kelmend Roadtrip VW Bus Bulli

Leqet e Hotit

Der Leqet e Hotit-Pass stellt hier die Verbindung des Kelmend mit der fruchtbaren Ebene am Skutarisee dar. Er erinnert stark an die “Trollstiegen”-Straße in Norwegen oder an das Stilfser Joch in der Schweiz. Nur ist es hier wesentlich wärmer, kaum ein Mensch weit und breit und etwas, was man hier irgendwie absolut nicht erwartet hätte. Dieses Land hat bereits auf den ersten 40 Kilometern so unheimlich viel touristisches Potential, dass man nicht weiß, ob es nun gut oder schlecht ist, dass noch kein einziger Tourist hier ist.

Leqet e Hotit Pass zwischen Kelmend und Skutarisee Albanien Roadtrip

Atemberaubende Passstraße ohne Verkehr

Blick zurück vom Leqet e Hotit ins Kelmend, Albanien

Um diese enge Kurve muss man kommen

An der Spitze der Passstraße befindet sich ein kleiner Rastplatz, von dem man einen wunderbaren Blick weit in das Tal hinein hat. Zusätzlich sind dort Informationstafeln über die Gegend und die Alpen aufgestellt und zwei Aussichtsplattformen für einen noch besseren Ausblick errichtet worden. Die touristische Infrastruktur nimmt hier durchaus Formen an.

Der Bulli das Didimobil am Scheitelpunkt des Leqet e Hotit Pass Albanien Kelmend Roadtrip

Fast ganz oben

Bevor es auf der anderen Seite hinunter zum Skutarisee geht, hat man auch dort einen herrlichen Blick hinunter in die Ebene. Auf der Fahrt hinunter macht sich der Höhenunterschied mit stetig steigenden Außentemperaturen durchaus bemerkbar. Auch der Verkehr nimmt langsam aber sicher zu. Wie schnell darf man eigentlich in Albanien fahren? Normalerweise fotographiere ich mir die Verkehrshinweise auf den Tafeln hinter den jeweiligen Grenzen. An meiner Grenze stand so eine Tafel leider nicht, da bin ich mir ganz sicher!

Blick vom Leqet e Hotit auf den Skutarisee

Blick auf den Skutarisee

Ich erreiche bald die SH-1, die Hauptstraße von Podgorica/Montenegro nach Shkodra und Tirana. Gute 30 Kilometer sind es noch bis Shkodra, die Straße ist hervorragend ausgebaut; breit mit Seitenstreifen am Rand, fast alle Orte werden als Umgehungsstraße umfahren. Eine knappe halbe Stunde später befinde ich mich mitten in Shkodra. Verkehrszeichen sind Mangelware, jeder fährt einfach drauflos und ich habe ein wenig Angst um den Bulli. Problemlos schaffe ich es durch die Stadt, defensive Fahrweise zur Perfektion treibend.

Shkodra, Albanien, Roadtrip 2016 mit dem Bulli VW Bus

Willkommen in Shkodra

Die Stadt macht einen leicht baufälligen Eindruck; je mehr man sich dem Zentrum nähert, desto besser scheint die Infrastruktur zu werden. Auffällig ist das viele Grün, die gepflegten Verkehrsinseln, die Unmengen an modernen SUVs hauptsächlich aus deutscher Produktion und die vielen Menschen, die auf den Straßen unterwegs sind.

Ein Wegweiser weist schon seit kurz vor der Stadt den Weg zu einem Campingplatz namens Camping Legjenda, und es ist so ziemlich der einzige Wegweiser irgendwohin, der auch innerhalb der Stadt regelmäßig die Richtung vorgibt. Ich folge ihm und finde am Südende der Stadt unterhalb der Burg Rozafa einen recht einfach gehaltenen Campingplatz mit Schatten und Strom für sieben Euro pro Nacht.

Ich bin froh, zur Ruhe zu kommen. Die Eindrücke des heutigen Tages müssen erst einmal irgendwie verarbeitet werden – und das im ausgesprochen positiven Sinn. Neun Stunden habe ich für die 200 Kilometer benötigt, wenige, aber durchweg lebensfrohe, nette Menschen getroffen und eine Landschaft durchreist, die Ihresgleichen sucht. Würde man eine Woche für die Strecke benötigen, man könnte sich an der Landschaft nicht sattsehen.

Die nette Dame an der Rezeption spricht fließend Englisch und empfiehlt ein Restaurant, welches durch eine Tür in einer Mauer am Rande des Campingplatzes erreichbar sei. Bezahlen könne man sogar in Euro. Da die Reisekasse langsam zur Neige geht beschließe ich, lediglich ein kaltes Bier zu mir zu nehmen.

Korca Bier Albanien Shkoder Camping Legjenda

Leckeres Bier für 1,30€

Hinter der Tür verbirgt sich eine Art “Garten Eden”: Uralter Baumbestand, Hecken in Formschnitt, kleine Springbrunnen, ein altes Herrenhaus, welches fast komplett mit Efeu bewachsen ist. Inmitten dieser Gartenladschaft befinden sich einzelne “Inseln” mit kleinen Tischen für jeweils fünf bis sech Personen. An einem großen Tisch findet gerade ein Kindergeburtstag statt: Das Kind bekommt allen möglichen Kitsch in Rosa und die im besten Ausgehdress gekleideten Erwachsenen feiern sich und das Kind gleichermaßen. Dieses Restaurant würde selbst bei uns zu den Etablissements für die oberen Zehntausend zählen.

Ich vergewissere mich, dass man wirklich mit Euro zahlen kann und lasse mir die Karte bringen. Vorspeisen, Pasta, Fleisch, Fisch. Sehr italienisch angehaucht. Es gibt Lasagne für 400,-LEK. Ich rechne dreimal um und komme immer wieder zu dem unglaublichen Ergebnis von 2,88€. Ich bestelle Lasagne, bin begeistert (man merkt den italienischen Einfluss in der Küche) und pappsatt, trinke noch ein großes Bier und eine große Cola und bezahle zusammen 5,14€. Die Reisekasse freut sich und der Didi auch, da er nicht kochen braucht.

Camping Legjenda Shkoder Albanien Bulli Roadtrip

Camping Legjenda bei Nacht

Gegen 22:30 gehe ich ins Bett, morgen soll es zurück in die Berge gehen. Die Fenster bleiben mal wieder geöffnet, draußen zirpen die Grillen und das Thermometer zeigt noch immer 28°C. Sommerurlaub.

One Reply to “Balkan-Roadtrip 2016 – Teil 8 (MNE)(AL) Ins Land der Skipetaren”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert